Im ersten Teil der Geschichte von der leidenschaftlichen Kampfsportlerin erzählte Annalena Bauer uns bereits, wie sie mit Vorurteilen gegenüber ihrem Sport umgeht. Heute erzählt sie uns, wie sie nach jedem Rückschlag wieder aufstand.
“Meine sportliche Laufbahn kann man als sehr lange Berg- und Talfahrt bezeichnen, mit mehr oder weniger großen Anstiegen und Extremen.”
Wir dürfen Annalena durch einen ganz persönlichen Zeitraffer ihrer sportlichen Karriere begleiten:
"2001 fing ich im Judo mit Wettkämpfen an."
"2007 mein erstes große Highlight: ich konnte Gold bei der Süddeutschen Meisterschaft erkämpfen."
“2009 erkämpfte ich mir das erste Mal die Goldmedaille bei einem internationalen Judo-Turnier und holte Bronze bei der Deutschen Meisterschaft im Ju-Jutsu. Das folgende Jahr war ein sehr besonderes für mich: Meine Zeit als Mitglied der Nationalmannschaft begann und ich konnte auch direkt auch meine erste Jugend-Europameisterschaft gewinnen. Ich gewann 2010 zudem Gold bei der Deutschen Meisterschaft und im Judo erkämpfte ich mir Bronze bei der Deutschen Meisterschaft.
2011 habe ich hingegen das erste Mal eine sehr missliche Niederlage bei der Deutschen Meisterschaft im Ju-Jutsu einstecken müssen, nachdem ich eine Gegnerin unterschätzt hatte, was mir seitdem nie wieder passiert ist. Und so konnte ich Ende des Jahres gegen dieselbe Gegnerin Gold bei meiner ersten Jugend-Weltmeisterschaft im Ju-Jutsu gewinnen.
2012 bekam ich eine Anfrage für die Nationalmannschaft im Judo. Das war eine große Ehre für mich. Allerdings war ich damals nicht bereit meine Heimat und Familie dafür zu verlassen. So kämpfte ich “nur” in der 2. Judo-Bundesliga weiter. Außerdem war ich bereits seit 2010 im Ju-Jutsu Bundeskader und konnte dabei in 2012 erneut Gold bei der Jugend-EM holen, sowie ein Jahr später Gold bei der Jugend-Weltmeisterschaft.
2014 war für mich wieder ein ausschlaggebendes Jahr. Ich durfte im Ju-Jutsu einen Doppelstart in der Jugend und den Erwachsenen machen, was bis dato zuvor nie zugelassen wurde und gleichzeitig machte ich mein Fachabitur. Im April konnte ich Silber in Paris bei meinem ersten Grand Slam Turnier der Erwachsenen erkämpfen. Dann folgten die Jugend-Europameisterschaft und die Fachabitur-Prüfungen direkt aufeinander. Die Jugend- EM war in Schweden übers Wochenende und Montags begannen meine Abi-Prüfungen in Bayern. Vor dem Finalkampf hatte ich einen kleinen Nervenzusammenbruch, vor lauter Dingen in meinem Kopf. Ich raffte mich jedoch auf und kämpfte das Finale. Nach einer schnellen Führung musste ich nach leichten Verständigungsproblemen mit dem Coach und einer ungünstigen Taktik leider eine knappe Niederlage hinnehmen, aber trotzdem Silber. Ankunft Zuhause Montag 5 Uhr morgens, 1h Schlaf, dann ging es zur ersten Abi-Prüfung. Trotz all dem Trubel konnte ich das Fachabi meistern. Im Oktober konnte ich dann meine erste Goldmedaille bei einem Grand Slam Turnier der Erwachsenen gewinnen und Ende des Jahres ging es auf meine erste “richtige” Weltmeisterschaft. Im ersten Kampf bekam ich eine Gehirnerschütterung, weil mir die Gegnerin bei einem missglückten Wurf auf den Kopf fiel, allerdings konnte ich weiterkämpfen und gewann den Kampf. Später musste ich mich im Kampf um Bronze knapp geschlagen geben und erreichte einen guten 5. Platz bei meiner ersten WM.
2015 wurde mir vom Bundestrainer geraten mich vollkommen auf Ju-Jutsu zu konzentrieren, um maximale Leistung erbringen zu können. Ich kämpfte von da an nicht mehr bei der Judo-Bundesliga und fokussierte mich voll auf Ju-Jutsu, was mir Silber bei der EM und Bronze bei der WM bescheren konnte.
Bis ich 2016 zu meinem erfolgreichsten und zugleich misslichsten Jahr machte. Gold und Silber bei den Grand Slam Turnieren in Paris und Schalke, Bronze bei den European Open und krönend Gold bei der Weltmeisterschaft! Es war der 25.11.2016, der mit zum glücklichsten Tag meines Lebens wurde: Ich kämpfte bei der Weltmeisterschaft im Einzel in meiner Gewichtsklasse -70kg und konnte alle Kämpfe deutlich für mich entscheiden. Ich stand am Ende des Tages ganz oben auf dem Podium, somit auch auf dem 1. Platz der Weltrangliste und konnte damit das sichere Ticket für die World Games lösen, dachte ich zumindest. Zwei Tage später war der Teamwettkampf. Dieser sollte zum schrecklichsten Tag meines Lebens werden. Wir kämpften im Halbfinale gegen Russland, es war eine ausgeglichene Begegnung, ich hatte den vorletzten Kampf. Mein Nachfolger und ich mussten gewinnen, dass wir ins Finale einziehen konnten. Ich startete gut und konnte meine Führung immer weiter ausbauen. Dann kam es im Bodenkampf zu einer dummen Situation und es gab einen lauten Knall. Ich war zunächst etwas verwirrt, und erst als meine Gegnerin den Arzt rief, schossen mir die Schmerzen ein. Unser Arzt und Physiotherapeut rannten zu mir und meinem anschwellenden Knie. Das vordere Kreuzband war nicht mehr ganz stabil. Aber mein Fokus war schon wieder beim Kampf: “Macht mir bitte eine Binde fest ums Knie, dass es stabil wird, ich muss nur noch 1,5 min durchhalten und das schaffe ich!”.
Ich konnte den Kampf zu Ende bringen und einen Punkt für mein Team einfahren. Allerdings verlor der Teamkollege nach mir und wir zogen in die Trostrunde ein. Bronze konnten wir zwar erkämpfen, aber für mich war das erstmal das Ende!
Dummerweise waren bereits 7 Monate nach meiner darauffolgenden Knie-Op die World Games. Trotzdem war das mein Ziel! Als Weltranglisten-Nr. 1 wollte ich mir dort Gold holen und war deswegen hochmotiviert schnell wieder fit zu werden, was mir auch recht gut gelang. Doch kurz darauf platzte mein Traum innerhalb einer Sekunde. Es war nicht mein Knie, sondern der Bundestrainer, der ein solches Großturnier wenige Monate nach meiner Op auf Rat einer Ärztin, die mein Knie kein einziges Mal gesehen hatte, doch für zu riskant hielt.
Ich hatte in meinem Leben bis dato alles, was ich mir in den Kopf gesetzt habe, irgendwie hingekriegt. Doch wenn plötzlich jemand NEIN sagt, du alles gibst, aber trotzdem nichts an der Entscheidung ändern kannst, ist das wirklich hart zu akzeptieren!
Die darauffolgenden Monate waren sehr schwer für mich und ich habe sogar daran gedacht aufzuhören, bis ich mir irgendwann sagte: “Warum machst du dein Leben von der Entscheidung anderer abhängig? Bestimme DU wie dein Leben weitergeht!”. Diese Einsicht hat jedoch 4 Monate gedauert. Mit meinem Knie musste ich quasi wieder von vorne anfangen. Aber meine Motivation war wieder zurück. Im April 2018 gab ich endlich mein internationales Comeback, bei dem ich mir die Goldmedaille erkämpfen konnte. Ich war überglücklich, meine Trainer völlig überrascht von meiner Leistung.
2019 begann für mich leider wieder mit unschönen Ereignissen. Ich erlitt bei einem Übungskampf ohne Fremdeinwirkung eine Reruptur meines Kreuzbands. Mit allen Mitteln wollte ich eine erneute Op umgehen. 2021 sollten die nächsten World Games stattfinden, an denen ich unbedingt teilnehmen will. Allerdings muss ich dafür noch einige Punkte sammeln. Also kämpfte ich mit Muskelaufbau, Schiene und Spritzen gegen eine Op an. 6 Wochen später stieg ich wieder ins Training ein. Bei der EM Ende Mai hatte ich keine Probleme mit meinem Knie und konnte mir die Bronzemedaille erkämpfen.
Ende Juni im Finale der Deutschen Meisterschaft fiel mir dann meine Gegnerin aus mir unerklärlichen Gründen ins andere Knie. Doch ich kämpfte die restlichen 1,5 min zu Ende und konnte mir so selbst ein goldenes Geburtstagsgeschenk bereiten. Allerdings zeigte das MRT wenig später, dass ich auch im linken Knie bereits einen Kreuzbandriss hatte. Der war zwar ohne mein Wissen bereits verheilt gewesen, nun aber wieder gereizt worden. Zudem kam ein frischer Innenminiskusschaden. Also wieder 6 Wochen Pause, Muskelaufbau und dann erst wieder auf die Matte. Doch das Verletzungspech ließ mich nicht los. Im September die nächste Knieverletzung. Ich kämpfte mich zurück und fuhr bereits Ende November zur WM. Doch im Kampf um Bronze machte mir mein Knie wieder ein Strich durch die Rechnung. Diesmal kam ich um eine Op nicht mehr drumherum, da sich zusätzlich der Außenmeniskus im Knie verkantete.
2020 soll es jetzt nur noch bergauf gehen. Ab Mitte März war Annalena für 4 Wochen auf Reha und ihr Knie wird immer kräftiger und stabiler. Allerdings hat sie noch einen langen Weg vor sich. Doch ihre Ziele sind klar gesteckt:
“Auf dem Weg zu den World Games will ich keinen Kampf mehr verlieren!”
Durch die Corona-Pandemie wurden alle Wettkämpfe auf das 2. Halbjahr verlegt, genauso wie die World Games um ein Jahr auf 2022 verschoben. Das kommt der ambitionierten Sportlerin natürlich zugute, da sie frühestens Ende August wieder an Wettkämpfen teilnehmen darf und dann weiter auf Punktejagt für die World Games gehen will. Dort möchte sie mit ihrer Schwester, die ebenso erfolgreich im Ju-Jutsu ist gemeinsam Gold mit nach Hause bringen.
“ab September 2020 wird wieder durchgestartet! Soweit es Corona denn zulässt…”
Foto Startseite: Presseteam DJJV
Autor
louisa
Autorin und Mitgründerin von Athlet.one
Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!