Die deutsche Sportszene ist nicht nur Fußball. In zahlreichen Sportarten sind die deutschen Nationalteams sehr erfolgreich auf den internationalen Ebenen unterwegs. Doch in den Medien wird davon leider wenig berichtet. John Dawe, gebürtiger Brite mit deutschen Wurzeln, der für das deutsche Rugby-Nationalteam spielt, sieht noch viel Potential in der Popularität von Randsportarten wie Rugby in Deutschland. Tagtäglich erlebt er die Unterschiede der Präsenz seines Sports in England und Deutschland. Auch wenn er nicht in Deutschland geboren wurde, liegt ihm viel an dem Land, für das er spielt.
“Ich bin in England geboren und aufgewachsen aber meine Mutter kam aus Hannover und hat da auch einen Großteil ihrer Kindheit verbracht, weshalb ich mich für das nationale 7er-Team qualifizieren konnte. Ich kam aber etwas anders ins Team als die Spieler, die in Deutschland wohnen. Ich kam dazu, weil ich unter dem ehemaligen leitenden Coach Chad Shephard in einem internationalen Rugby 7-Team gespielt habe, Samurai RFC. Nach dem Turnier und meinem Treffen mit Chad wurde ich zu einem Testspiel mit Deutschlands 7er eingeladen. Seit dem bin ich Teil des Teams. Aktuell spielen zwei von uns in Teams außerhalb Deutschlands und kommen dann immer für Lehrgänge und Turniere dazu.”
Wer mit dem Begriff “Rugby 7” nicht viel anfangen kann, dem kann man das aufgrund der geringen Medienpräsenz in Deutschland wohl kaum verdenken. Beim 7er handelt es sich um eine von zwei Spielvarianten des Sports, 7er und 15er.
“Mal von dem offensichtlichen Unterschied abgesehen, dass wir 15 Spieler im großen Format haben, während es im kleinen nur 7 sind, gibt es noch viele weitere Unterschiede. Die beiden Formate folgen denselben Regeln, abgesehen davon, dass die 15er Spiele 80 Minuten mit zwei 40-minütigen Hälften und die 7er 14 Minuten mit 7-minütigen Hälften lang sind. Es gibt auch noch einige andere Unterschiede, wie die Zahl an Stürmern am Wurf, was 8 pro Seite im 15er und 3 pro Seite im 7er sind. Das heißt, dass Gedränge und Gassen, die dabei helfen, nach einer Unterbrechung wieder einzusteigen, verschiedene Zahlenwerte haben.”
Nicht nur in der Variation der Formate ist Rugby für John ein faszinierender Sport. Auch innerhalb eines Teams bietet sein Sport sehr viel Varianz.
“Rugby ist ein toller Sport, bei dem man viele verschiedene Fähigkeiten auf viele verschiedene Arten nutzt und bei dem deshalb Leute mit ganz unterschiedlichem Körperbau zusammenarbeiten können. In Rugby kann man auf viele Wege Erfolge erzielen, Kraft, Stärke, Geschwindigkeit, Geschicklichkeit, Ausdauer, plus Hand-Augen-Fuß-Koordination. Das macht es zu einem harten und spannenden Spektakel, weshalb es auch ein sehr beliebter Zuschauer-Sport ist.”
Wer schon mal ein Rugby-Spiel gesehen hat, der weiß, dass es auf diesen Spielfeldern oft hart hergeht. Rugby ist schnell, körperbetont und wirkt manchmal brutal, zumindest für einen Außenstehenden. Das weckt natürlich auch Sorgen im Bezug auf Verletzungsgefahr.
“Da es von Natur aus ein Sport mit Körpereinsatz ist, gibt es leider manchmal Verletzungen, wenn auch nicht halb so viele wie Leute oft denken. Der deutsche Rugby-Verband (DRV) arbeitet eng mit den Trainern der Olympiastützpunkte in Heidelberg und Hannover zusammen, sowie mit unserem eigenen Athletiktrainer Tonia Krüger, um die Verletzungsquote mit Reha und Konditions-Arbeit zu verringern.”
In Deutschland ist Rugby nicht so populär wie in anderen Ländern, doch das beirrt John nicht. Ein Mitglied im deutschen Team zu sein bedeutet für ihn auch Wettkämpfe auf internationaler Ebene bestreiten zu können.
“Die Gelegenheit zu haben für Deutschland zu spielen, für das Geburtsland meiner Mutter, ist ein großes Privileg und eine Ehre. Dazu kommen die tiefen Freundschaften, die ich beim Spielen für Deutschland gewonnen habe. Durch die Philosophie für den Umgang im 7er-Team werden Werte wie Zusammenhalt und Respekt großgeschrieben. Man fühlt sich echt als Teil der Gruppe. Ich fühle mich zutiefst geehrt und dankbar ein Teil davon sein zu dürfen.”
Für John geht die Mitgliedschaft im Nationalteam auch über die allgemeine Ehre hinaus, als athletischer Vertreter für ein ganzes Land zu spielen. Er berichtet gerne darüber, wie sehr das Spiel für Deutschland sein Leben verändert hat.
“Teil des Nationalteams zu sein hat mein Leben zum besseren verändert, sowohl persönlich als auch athletisch. Mithilfe eines Weltklasse-Trainers mein Spiel verbessern zu können, sowie mit den besten Spielern in Deutschland zu spielen hat mich als Spieler und Mensch vorangebracht und ich fühle mich auf einem guten Weg meine Leistung stetig weiter zu verbessern. Aber wie gesagt, es ist nicht nur meine Leistung, die sich verbessert hat, die nationale Seite hat auch viele Gelegenheiten geboten professioneller und fokussierter als Athlet zu werden, sowie meinen Charakter zu entwickeln.”
Auch als Mitglied des deutschen Nationalteams ist John jedoch weiterhin in England heimisch, wo er außerhalb der internationalen Wettkämpfe für britische Vereine spielt, eine weit größere Szene für den Rugby-Sport.
“Normalerweise spiele und trainiere ich in England mit meinem Club. Wenn ich das Glück habe, für Lehrgänge oder Wettbewerbe des DRV nominiert zu werden, reise ich nach Heidelberg, um zu dem Team dazu zu stoßen.”
Diese Trennung der professionellen Leben wird wohl auf nächste Zeit notwendig bleiben, da Rugby auf nationaler Ebene in Deutschland nicht auf demselben Level ist, wie in Johns Heimat.
“Rugby ist in Deutschland immer noch nicht so populär wie andere Sportarten, da die Medien, sowie Schulen und Unis, es nicht genug unterstützen. Würden die Medien mehr darüber berichten, wäre das anders. Mein größter Erfolg mit dem 7er-Team war, die europäische Meisterschaft in 2019 zu gewinnen. Geschichte zu schreiben als das erste deutsche Rugby-Team, das den Europa-Cup gewonnen hat, wird definitiv noch eine Weile mein größter Erfolg bleiben. Kürzlich erst hat Bayern-München die Fußball Champions League gewonnen und ich nehme an, die meisten Menschen nicht nur in Deutschland wissen das, wogegen nur die wenigsten wissen werden, dass das deutsche 7er Rugby-Team Europameister ist. Meiner Meinung nach ist das unglaublich schade, dass in Deutschland Sportarten wie Rugby derzeit nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Unter Anderem in England sieht man wie unser Sport unglaublich viele Menschen begeistern kann.”
Leider ist nicht nur in Deutschland die Szene zurzeit etwas schwächer als sonst. Die globale Pandemie hat Rugby genauso getroffen wie jeden anderen Sport.
“Leider ist die Welt wegen Covid-19 ein wenig zum Stillstand gekommen und damit auch Sport und 7er Rugby. Normalerweise wären wir gerade dabei, uns auf die diesjährige Europameisterschaft vorzubereiten um unseren Titel zu verteidigen, aber im Moment können wir nur warten bis Sport und Rugby wieder richtig weitergehen und wir zu dem Spiel, das wir alle lieben, zurückkehren können.”
Europameisterschaften werden jedoch nicht auf ewig abgesagt bleiben und mit den starken Erfolgen der letzten Jahre, können wir nur hoffen, dass John und das deutsche Nationalteam in der nahen Zukunft wieder Deutschland gegen den Rest von Europa vertreten dürfen.
Autor
louisa
Autorin und Mitgründerin von Athlet.one
Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!