Janine Kohlmann ist 29 Jahre und erfolgreiche moderne Fünfkämpferin. Seit 20 Jahren ist sie in ihrem Sport aktiv und konnte mit 16 Jahren bereits eine Silber- und eine Bronzemedaille bei ihrer ersten Weltmeisterschaft der Aktiven mit dem Team gewinnen. Seitdem kämpft sie immer wieder um die Teilnahme an den Olympischen Spielen und ist bei den Qualifikationen mehrmals knapp gescheitert. Entmutigen lässt sie sich davon allerdings nicht - jetzt hofft sie auf 2021.
Wie bist du mit deinem Sport in Berührung gekommen?
Mit ungefähr acht Jahren, ging ich öfter mit meiner Mutter zu ihrer Krankengymnastin. Da muss ich immer an den Geräten rumgeturnt haben und die Sprossenwand hoch- und runtergeklettert sein. Die Krankengymnastin meinte dann zu meiner Mutter: “Ihr Kind scheint nicht ausgelastet zu sein. Da wäre doch bestimmt Fünfkampf was für sie.” Ihre Kinder haben das auch mal gemacht. Darauf habe ich gesagt: “Ja, würde ich ausprobieren.” Ich war vorher schon im Neusser Schwimmverein und der hatte eine Fünfkampfabteilung. Dann bin ich da einfach mal hin und seitdem dort hängengeblieben. Ich war von Anfang an total begeistert und bin es immer noch.
Im Jugendbereich war ich recht erfolgreich und bin unter anderem Europameisterin geworden und Dritte bei der Weltmeisterschaft. 2007, also mit 16 Jahren, war ich dann zum ersten Mal bei der Weltmeisterschaft der Aktiven dabei. Das ist von meinen Erinnerungen her bis heute mein sportliches Highlight. Mit Lena Schöneborn und Eva Trautmann bin ich im Team Zweite und in der Staffel Dritte geworden. Meine erste Frauen-WM und dann direkt zwei Medaillen, das war echt cool.
Der Moderne Fünfkampf verbindet sehr unterschiedliche Sportarten miteinander. Die Tradition des antiken Pentathlon (Diskus, Weitsprung, Speer, Laufen, Ringen) wurde darin wieder aufgenommen und soll mit dem besonders vielseitigen Wettkampf der fortschreitenden Spezialisierung im Sport entgegenwirken. Was fasziniert dich an deinem Sport?
Der Sport ist wahnsinnig abwechslungsreich und vielseitig. Moderner Fünfkampf setzt sich aus organischen Sportarten zusammen, wie Laufen und Schwimmen. Dazu kommen die technischen Sportarten, wie Fechten und Schießen. Und dann kommt noch das Reiten dazu, wieder eine ganz andere Sportart. Man muss alles können und es ist alles sehr komplex. Im Wettkampf kommt beim Reiten dann noch die Komponente dazu, dass man ein fremdes Pferd zugelost bekommt. Das ist natürlich auch immer aufregend. Ich trainiere jeden Tag etwas anderes. Es ist total abwechslungsreich. Es sind fünf komplett verschiedene Sportarten. Aber alle Disziplinen machen mir Spaß.
Ich bin total dankbar, dass ich den Sport habe. Durch den Sport konnte ich tolle Erfahrungen sammeln, hatte die Chance, tolle Orte zu bereisen, und auch viele Menschen kennen zu lernen. Freunde aus der ganzen Welt zu kriegen. Was Besseres gibt es eigentlich nicht.
Fünf völlig unterschiedliche Disziplinen und in jeder einzelnen muss Höchstleistung erbracht werden. Wie trainiert man denn so viele Disziplinen, um in allem eine Top-Leistung zu erbringen?
Wir trainieren fünf- bis sechsmal die Woche Laufen und Schwimmen. Davon haben wir zweimal die Woche Laufen mit Schießen kombiniert als sogenannten Laser-Run. Einen Tag haben wir intensives Lauftraining und am gleichen Tag eine lockere Schwimmeinheit. Am nächsten Tag ist es genau andersrum. Die technischen Disziplinen trainieren wir drei- bis viermal die Woche. Fechten haben wir dreimal die Woche. Dann kommt noch zweimal Kraft- bzw Athletiktraining dazu. Ich reite noch drei- bis viermal die Woche. Die anderen reiten meist ein- bis zweimal die Woche. Reiten ist aber meine Lieblingsdisziplin und das mache ich gerne. Und ich muss mich ja auch um meine zwei Pferde kümmern. Da kann ich gut abschalten. Wenn ich mal schlecht drauf bin, zaubern die mir immer ein Lächeln aufs Gesicht.
Bei solch intensiven Trainingsumfängen über all die Jahre willst du dich endlich mit deinem größten Traum belohnen - Olympia. Dreimal hast du die Olympischen Spiele knapp verpasst. Was lässt dich immer weitermachen und nicht aufhören, an deinen Traum zu glauben?
Olympia war für mich ein Kindheitstraum und ist es immer noch. Da will ich unbedingt mal hin, wie vermutlich jeder Sportler. Bei uns können sich immer nur zwei Athletinnen für die Spiele qualifizieren. 2016 war es sehr knapp. Ich war sogar vor Ort in Rio und hatte mich eigentlich über einen Quotenplatz qualifiziert. Aber dann war ich doch nur Ersatz. Seitdem denke ich mir: jetzt erst recht. Jetzt hoffe ich, dass ich 2021 endlich meinen Traum verwirklichen kann. Ich habe an sich gute Aussichten, dass es klappen wird, je nachdem wie es weitergeht. Ich bin auf jeden Fall sehr zuversichtlich.
Du hast auf die Olympischen Spiele in Tokyo in diesem Jahr hingearbeitet. Nun werden sie auf 2021 verschoben. Wie hat Corona dir da einen Strich durch die Rechnung gemacht?
Es war natürlich sehr enttäuschend, zu hören, dass Olympia 2020 nicht stattfinden wird. Auch wenn ich natürlich sagen muss, dass es die einzig richtige Entscheidung war. Aber es ist trotzdem hart. Wir hatten uns über den Winter intensiv auf das Jahr vorbereitet und ich bin auch richtig gut in die Saison gestartet. Ich habe richtig gute Wettkämpfe gemacht, die für die Olympia-Rangliste zählen. Jetzt weiß ich nicht, ob die Punkte bestehen bleiben. Das Positive bei der Verschiebung ist, dass ich jetzt noch ein Jahr mehr zum trainieren habe und somit noch ein Jahr mehr, um besser zu werden. Wir werden sehen wofür es gut war.
Du hattest in den letzten Jahren viel Verletzungspech, denkst aber über alles in einer positive Weise. Wie bist du zu der Einstellung gekommen, immer etwas positives aus jeder Situation mitzunehmen?
Verletzungen sind immer eine sehr frustrierende Angelegenheit. Vor allem, wenn man dadurch viele wichtige Wettkämpfe verpasst. Doch aus dieser Zeit lernt man, damit umzugehen und das beste daraus zu machen. Bei uns ist das gute: wir haben fünf Sportarten. Mindestens eine kann man immer machen. Dazu kann man viele Ausgleichssportarten betreiben. Bei meiner letzten Verletzung habe ich intensiv Aquajogging gemacht. Das hat mir glaube ich ziemlich geholfen, schnell wieder den Anschluss im Laufen zu finden. Das hätte ich nie gedacht. Aber wenn man es richtig macht, dann funktioniert es doch.
Bei den Verletzungen habe ich gemerkt, aus jeder Situation was Positives mitzunehmen. Ich bin überzeugt, dass nichts ohne Grund passiert. Meistens merkt man im Nachhinein, warum das so passiert ist, und dass es eigentlich sogar gut war, dass es so gekommen ist. Man lernt aus jeder Situation. In der Zeit sind für mich vor allem auch Familie und Freunde wichtig, die mich in der Situation immer sehr unterstützen und mir helfen, positiv zu bleiben und mich aufmuntern. Da habe ich schon echt Glück.
Du bist bei der Polizei in der Sportfördergruppe. Für dich ist das neben einer Unterstützung um deinen Leistungssport betreiben zu können auch ein Ort, um ganz bewusst den Fokus mal weg vom Sport zu lenken. Wieso denkst du, ist das wichtig?
Seit 2017 bin ich fertig ausgebildete Polizeikommissarin. Ich finde es wirklich wichtig, dass man noch etwas neben dem Sport hat. Wenn ich zu Hause bin, gehe ich immer wieder zwischendrin arbeiten, um auch was anderes für den Kopf zu machen. Für mich ist es wichtig, auch mal einen Ausgleich zum Sport zu haben und nicht immer nur den ganzen Tag mit den Gedanken beim Sport zu sein.
Sieh du nach deiner sportlichen Karriere deinen weiteren Werdegang bei der Polizei?
Ja, ich sehe mich auch später bei der Polizei. Ich finde den Beruf sehr interessant. Vor allem gibt es hier auch viele verschiedene Möglichkeiten, was man später machen kann. Das ist wie bei meiner Sportart. Der Beruf ist sehr abwechslungsreich. Das ist mir wichtig. Ich weiß zwar jetzt noch nicht genau, was ich später machen will. Aber das, was ich zur Zeit mache, macht mir Spaß.
Du bist ein sehr aktiver Mensch. Einfach nur rumsitzen passt nicht zu deinem Lebensstil. Wie schränkt dich die aktuelle Situation aufgrund der Corona-Pandemie darin ein? Wie kannst du noch trainieren?
Mir ist tatsächlich wichtig, jeden Tag produktiv zu sein. Ich kann nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und nichts tun. Ich muss immer irgendwas machen. Ich muss gestehen, so sehr schränkt mich die aktuelle Situation darin aber nicht ein. Ich habe das Glück, dass wir an meinem Olympiastützpunkt so gut wie alles trainieren können. Aufgrund meiner Pferde stehe ich sogar in der Pflicht, mich um sie zu kümmern und sie zu bewegen. Deswegen muss ich auch reiten. Das einzige, was ich zur Zeit wirklich vermisse, ist, dass ich meine Familie nicht sehen kann, und mich nicht mit Freunden treffen kann. Aber auch diese Zeit wird vorübergehen und ich denke auch hier ist es wichtig eine positive Sicht auf die Dinge zu bewahren.
Janine arbeitet jeden Tag hart für ihren großen Traum von Olympia. Kurz davor stand sie bereits dreimal. Nächstes Jahr soll es endlich klappen. Wir drücken ihr die Daumen und sind sicher, dass mit ihrer positive Art, Situationen anzunehmen wie sie sind, sich auch ihre nun verlängerte Vorbereitung auf die Spiele auszahlen wird.
Autor
louisa
Autorin und Mitgründerin von Athlet.one
Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!