Ela Aydin: “Eine stärkere und erfolgreichere Ela als davor.”

Die 9-malige Deutsche Meisterin im Taekwondo zog aus jeder Verletzung Kraft und Energie, um stärker daraus hervor zu gehen.

Taekwondo wird vielen einfach nur als ‘eine Kampfsportart’ bekannt sein. Ela Aydin, professionelle Taekwondo-Kämpferin, ist sich über diese Missverständnisse nur zu gut im Klaren und würde gerne helfen, sie aus der Welt zu schaffen, um der nächsten Athletengeneration beim Verständnis zu helfen.

“Oft wird Taekwondo mit Kickboxen, Karate oder Judo verwechselt. Nicht selten kommt dann mal die Frage auf, ob ich mein Gegenüber denn zu Boden bringen oder ausknocken könnte. Ich mache mir da aber nicht viel daraus und lache drüber. Taekwondo ist nun mal eine Randsportart in Deutschland und das wird sich glaube ich leider auch nicht so schnell ändern. In anderen Ländern ist das übrigens nicht so... In Ländern wie Korea, dem Iran, México oder der Türkei ist es Nationalsport.”
Ela Aydin
Quelle: authorizedauthority.com

Ela hat uns im Interview über ihre Karriere erzählt, die bei ihr bereits in sehr jungen Jahren begonnen hat.

“Als kleines Kind hatte ich damals ziemlich viel Energie und wusste nie so ganz wohin damit. Da meine Eltern seit meinem 5. Lebensjahr getrennt sind und ich bei meiner Mutter wohne und mein Vater der ‘sportliche’ Part der beiden ist, wollten beide, dass ich mit einer Sportart anfange aber es war klar, dass mein Vater diesen Weg mit mir gehen sollte. Als Fünfjährige war es immer mein Wunsch/Traum Fußball zu spielen. Mein Vater, der jahrelang selbst im Amateurfußball spielte, war nicht ganz überzeugt von der Idee mich in einen Teamsport zu stecken. Ihm war es wichtig, eine individuelle Sportart für mich zu finden, um mir möglichst früh beizubringen, dass ich mich nie auf Anderen ausruhen sollte und es stehts auf meine eigene Leistung ankommt.”

Für welche Sportart sich Ela entscheiden würde, war nicht allzu kompliziert. Ein Freund ihres Vaters bot ihr einen Platz an seiner Taekwondo-Schule, was sie letztendlich zum Jugend-Taekwondo brachte.

“Nach dem ersten Training war klar, das ist mein Sport. Ich hatte unheimlich viel Spaß und wollte nichts anderes mehr machen. Mit fünf Jahren begann ich mit meinem Sport und mit sieben hatte ich bereits meinen ersten Wettkampf. Ich gewann dort und wurde Erste in meiner Gewichts- und Altersklasse. Mit der Zeit wurde klar, dass ich ziemlich ehrgeizig und talentiert bin und mit 13 Jahren schaffte ich den Sprung in die Nationalmannschaft."

Mittlerweile kann die ehrgeizige Sportlerin schon in ihrer jungen Karriere auf 9 Deutsche Meistertitel und einige internationale Medaillen schauen. Ein ganz besonderer Mensch nicht nur in ihrem Leben sondern seit ihrem 9. Lebensjahr auch in ihrem Team ist ihr Vater, der von da an die Rolle ihres Trainers übernahm.

Ela und ihr Vater & Trainer Demirhan Aydin / Quelle: Ela Aydin privat
Ela und ihr Vater & Trainer Demirhan Aydin / Quelle: Ela Aydin privat
“Taekwondo ist mein Leben. Zusammen mit meinem Vater gehe ich diesen Weg und freue mich über jede neue Erfahrung. Wenn ich Taekwondo mache, fühle ich mich stark und kann mich frei entfalten. Es ist meine Leidenschaft.”

Doch was genau ist eigentlich Taekwondo und was macht es so anders als andere Kampfsportarten? Ela hat uns gerne ganz langsam die Details erklärt.

“Es gibt weder Griffe noch Würfe, ein Kampf dauert drei mal zwei Minuten und derjenige, der am Ende des Kampfes die meisten Punkte erzielt hat, gewinnt den Kampf. Punkte erreicht man durch die Ausführung von einem Kick auf die Weste bzw. Kopfschutz oder einer Fausttechnik auf die Weste. An den Füßen haben wir spezielle Schützer, die mit Magneten versehen sind und die Gegenstücke dieser sind an der Weste bzw. dem Kopfschutz befestigt. Mit der richtigen Technik und Kraft lösen diese Magnete dann aus und ein Treffer wird gewertet. Ziemlich modern also.”
Quelle: Weltverband World Taekwondo
Quelle: Weltverband World Taekwondo

Natürlich heißt modern nicht zwangsläufig sicher. Bei einem Kampfsport sind Verletzungen fast vorprogrammiert und auch etwas, auf das Athleten sich vorbereiten müssen. Auch Ela ist da nicht immer verschont geblieben.

“Wenn ich so zurückschaue fallen mir einige Verletzungen ein, die mich oft zurückgeworfen haben, die aber auch für meine jetzige Einstellung und Persönlichkeit ausschlaggebend waren. Meine größte Verletzung erlitt ich mit bereits 17 Jahren. Ich war in meinem letzten Jugendjahr (U18) und habe mir während einem Wettkampf in Belgien einen Kreuzbandriss am rechten Knie zugezogen. Am Anfang habe ich die Schwere der Verletzung noch nicht richtig verstanden, erst nach meiner Operation und während der Reha. Während dieser Zeit habe ich aber auch viel an mir arbeiten können und vor allem an der mentalen Stärke. Ich habe gemerkt, wie sehr der Sport mir am Herzen liegt und dass ich weit mehr dafür geben würde, als mir davor bewusst war. Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass ich den Sport wirklich professionell betreiben will, dass ich damit mal mein Geld verdienen möchte.” 

Leider blieb diese Verletzung nicht ihre letzte. Nach dem Kreuzbandriss erlitt einen Kreuzbandanriss, eine Kreuzbandüberdehnung und 2019 einen schweren Meniskusriss, der ebenfalls operiert werden musste. Doch keine dieser folgenden Verletzungen kam gegen die mentale Verteidigung an, die Ela sich nach ihrer ersten Verletzung aufgebaut hatte.

“Mit Stolz kann ich sagen, dass ich, egal nach welcher Verletzung, zurückgekommen bin und jedes Mal aufs Neue eine stärkere und erfolgreichere Ela als davor war.”
Ela Aydin
Zu ihren internationalen Erfolgen zählt sie Silber bei den European Games und eine Bronze Medaille bei den Military World Games / Quelle: authorizedauthority.com

Zurzeit ist die ambitionierte Athletin Teil der Sportfördergruppe der Bundeswehr und steuert auf Olympia zu. Beinahe direkt nach dem Abschluss ihrer mittleren Reife in 2017 war für sie klar, dass der Schritt zur Bundeswehr der richtige für sie ist. Seither hat sie die Entscheidung nie bereut. Die Förderung durch den Bund hilft ihr, sich voll auf den Sport konzentrieren zu können, ein starker Wandel dazu, wie die Situation zu ihrer Schulzeit aussah.

“Meine Schulzeit... daran erinnere ich mich mit gemischten Gefühlen. Bis zur 8. Klasse besuchte ich noch das Gymnasium, was leider für mich zusammen mit dem Sport kaum zu stemmen war. Ich hatte ziemlich viel Stress und habe es kaum hinbekommen, den richtigen Spagat zwischen Schule und Sport zu finden. Meine Leistung im Sport war meistens super, in der Schule leider aber oft das Gegenteil. Nach der 8. Klasse merkte ich dann, dass es so nicht mehr weitergehen konnte und sollte. Nach langen Gesprächen mit meinen Eltern entschied ich auf eine Realschule zu wechseln. Zum Glück, denn danach ging es bergauf. Meine schulischen Leistungen wurden besser und ich hatte weniger Druck und Stress und konnte mich nach der Schule vollkommen auf Taekwondo konzentrieren."
"Was ich jedoch bis heute sehr schade finde, ist dass ich meine privaten Freundschaften das ein oder andere Mal vernachlässigen musste, aufgrund von Training und Reisen. Ich habe aber glücklicherweise sehr verständnisvolle Freunde und wurde trotzdem immer von ihnen unterstützt.”

Heute muss Ela ihre Zeit nicht mehr aufteilen und hat ihren Weg im Sport gefunden. Das geht laut ihr aber nicht jedem so. Viele Eltern, die ihre Kinder in den Sport bringen, sind weniger vorsichtig als ihr Vater es war.

“Während Trainingseinheiten oder Wettkämpfen sehe ich ziemlich oft Eltern, die zu ehrgeizig oder streng mit ihren Kindern sind. Mir liegt am Herzen, dass bei unserer wunderschönen Sportart mehr der Spaß und die Leidenschaft im Vordergrund stehen, als der Erfolg bzw. die Leistung. In unserer heutigen Gesellschaft ist das leider ein großes Problem. Es geht immer nur um Leistung und Ergebnisse. Der Druck ist groß."
"Den Jugendlichen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, möchte ich deshalb folgendes mitgeben: Glaubt an euch und habt Spaß an dem, was ihr macht! Seid mit vollem Herzen dabei, der Rest ergibt sich von selbst. Hört auf euren Körper und seid ehrlich mit euren Trainern. Genießt euren Weg und vergleicht euch nicht mit anderen. Jeder schreibt seine eigene Geschichte!”

Teil ihrer eigenen Geschichte sind bereits Silbermedaillen bei den European Games und Championships sowie eine Bronzemedaille bei den Military World Games. Sicher kann die ambitionierte Taekwondo-Sportlerin noch einige Erfolge auf ihren Seiten verbuchen. Wir wünschen Ela nur das Beste auf ihrem Weg und beim schreiben ihrer ganz persönlichen sportlichen Geschichte!

Bild Startseite: Denis Sekretev


louisa

Autor

louisa

Autorin und Mitgründerin von Athlet.one

Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!