Nicht nur Sportler selbst wie im ersten Teil berichtet aus unserer Reihe Hallen zu und jetzt? können durch die Sozialen Netzwerke unterstützt werden. Die Reichweite von Sportvereinen kann in der jetzigen Situation auch zur Unterstützung von hilfebedürftigen Menschen aus Risikogruppen dienen. Die Handballer des Württembergligisten SV Leonberg/Eltingen haben es vorgemacht und bereits mehr als 50 Sportvereine, darunter auch der Zweitligist TV Hüttenberg ziehen mit.
Per Mail oder Telefon kann die Hilfe der Handballer beantragt werden. Einkäufe, kleinere und größere Erledigungen, der Gang zur Apotheke, sogar der Hund wird von den Sportlern ausgeführt.
Wir haben mit dem Trainer der Handballer Tobias Müller gesprochen und ihm zu ihrem tollen Projekt einige Fragen gestellt:
Normalerweise steht ihr auf dem Handballfeld. Wie seid ihr auf die jetzige Idee gekommen?
Tobias: “Der Gedanke dahinter ist, dass wir das Aushängeschild eines Vereins sind, der durch das Thema, genauso wie alle anderen, unverhofft und hart getroffen wurde – zum einen finanziell, zum anderen aber auch in allem, was einen Verein und ein Vereinsleben ausmacht. Wir haben überlegt, wie können wir dem Verein helfen und gleichzeitig den Menschen helfen, die am stärksten betroffen sind durch die Pandemie. Jetzt haben wir eine tolle Kombination gefunden – unser Verein steht in der Öffentlichkeit, bleibt seinem eh schon positiven Image in der Leonberger Bevölkerung treu – unsere Sponsoren sind angetan, wenn sie sehen, wen sie da unterstützen und helfen uns auch bei der Aktion!
Und vor allem wir können denen helfen, die unsere Hilfe gerade am nötigsten haben!
Und so hat sich das entwickelt. Alles, was wir an Trinkgeld oder Spenden für die Aktion bekommen, fließt 1:1 in die Handballabteilung und die Jugendarbeit. Wobei man ganz klar sagen muss, das Geld ist und war nie das Motiv!”
Gestartet habt ihr das Projekt ja mit eurer Mannschaft und habt dadurch aber schon enormen Anklang im Verein und Umkreis erhalten. Haben sich schon einige euch angeschlossen? Wie viele Helfer sind mittlerweile beteiligt?
Tobias: “In unserer Whatsapp-Gruppe befinden sich inzwischen über 50 Personen. Neben der 1. Herrenmannschaft und der 1. Frauenmannschaft aus unserem Verein noch Spieler von Herren 2 und 3, sowie aus der A-Jugend, aber auch ein paar Fußballer und Footballer des SV haben sich angeschlossen. Auch das Echo aus der Bevölkerung ist absolut phänomenal.”
Toll dass sich so viele entschließen mitzuhelfen. Wie vielen Hilfebedürftigen aus Risikogruppen konntet ihr schon helfen? Waren auch schon etwas außergewöhnliche Bitten dabei?
Tobias: “Wir sind am 13. März gestartet und hatten Sonntag den ersten Einsatz – der gleich auch außergewöhnlich war. Montags ging es dann los mit Einkaufen, bis sich das ganze aber verbreitet und herumgesprochen hat, verging schon noch Anlaufzeit. Aber inzwischen sind wir bei einem „Kundenstamm“ von knapp 20 Haushalten, die wir regelmäßig versorgen und es werden nahezu stündlich mehr! Wir haben für kommende Woche auch noch weitere Anfragen aus anderen Bereichen erhalten, die wir gerade am Prüfen und Organisieren sind.
Unser erster Einsatz vergangenen Sonntag war gleich ein Moment, an dem man gesehen hat, dass es richtig und wichtig ist. Wir haben einem älteren Ehepaar die Möbel aus dem Wohnzimmer in die Garage geräumt und ein zweites Bett ins Wohnzimmer gebaut, da die Frau ihren Mann, der dort im Bett schläft, nachts nicht mehr alleine lassen kann/will. Es war rührend und das Ehepaar war so dankbar!
Die Enkel, die die Aktion eigentlich durchführen wollten, waren leider erkrankt und haben sich deswegen nicht getraut sich Ihren Großeltern zu nähern.”
Das ist wirklich beeindruckend, was ihr auf die Beine stellt und toll wenn diesen ganzen Menschen gerade in einer solchen Zeit Beachtung und Hilfe geschenkt wird.
Es haben sich aber bisher nicht nur viele eurer Aktion angeschlossen, sondern bemerkenswert viele Sportvereine folgen eurem Beispiel. Macht es euch stolz, dass ihr solchen Vereine wie Hüttenberg Vorbild seid?
Tobias: “Es macht uns stolz, dass die Aktion von Leonberg in die ganze Nation hinaus geht. Es ist der Wahnsinn, ich versuche alles irgendwie zu dokumentieren und keinen Verein zu vergessen, aber es ist inzwischen eine so riesige Zahl geworden, einfach Hammer! Jetzt ist Nachbarschaftshilfe keine Erfindung des SV Leonberg/Eltingen e.V. und es ist uns auch egal, was auf dem Etikett steht – wichtig ist, dass es gemacht wird! Nie war es nötiger als jetzt und wenn wir im Sport nicht Nächstenliebe und Solidarität vorleben, wer dann?!”
Einige Sportler sind ja auch in den sozialen Medien bereits aktiv, unterstützen solche Kampagnen wie eure und fordern die Menschen auf daheim zu bleiben. Was denkst du bringen die Sozialen Medien und Reichweite in so einer Zeit für Möglichkeiten mit sich? Aber auch welche Verantwortung haben Sportler und Vereine im Moment deiner Meinung nach?
Tobias: “Wir haben als Sportlerinnen und Sportler, aber auch als Vereine eine riesige gesellschaftliche Verantwortung, nicht nur in Krisensituationen. Aber gerade jetzt wird es vielen zum Glück noch mehr bewusst!
Wenn ich sehe, was wir mit unserer Aktion für eine Reichweite erzielen, da kann es nur helfen, wenn unsere prominenten Kollegen Statements an ihre Follower und Fans richten! Ich finde es großartig, was hier insbesondere der Handball leistet. Natürlich auch viele andere Sportarten, aber gerade unsere, die in den letzten Monaten nicht nur bzw. nicht unbedingt für durchgehend positive Presse bekannt war. Und da hilft es natürlich Patrick Groetzki statt Tobias Müller oder der THW Kiel statt der SV Leonberg/Eltingen zu sein – aber unterm Strich haben wir die gleiche Verantwortung jeder in seiner Reichweite! Schön zu sehen, wie die Handballfamilie tickt!
Unsere Zielgruppe zum Helfen erreichen wir über sie sozialen Netzwerke direkt leider weniger, aber deren Enkel und Kinder – geholfen haben uns bei unserem Projekt auch die guten alten Flyer!”
Vielen Dank an Tobias für den Einblick in die gemeinnützige Arbeit seiner Handballer und Danke allen, die sich deutschlandweit an solchen Projekten und Nachbarschaftshilfen beteiligen. Wir sind begeistert, wie Sportler und Vereine wie der SV Leonberg/Eltingen als Vorbild vorangehen und in diesen schweren Zeiten zeigen, dass wir aufeinander Acht geben müssen. Wir sind ebenso der Meinung, dass jeder Sportler sich hier in seiner Verantwortung als Vorbild sehen soll und wir so gemeinsam beginnen können eine Gemeinschaft zu bilden, die weit über die Vereins- und Sportartengrenzen hinausgehen.
Ihr selbst kommt aus dem Kreis Leonberg und wollt helfen, kennt jemanden der Hilfe benötigt oder gehört der Risikogruppe an und braucht selbst Unterstützung?
Kontakt zu den Handballern könnt ihr aufnehmen über: [email protected]
oder über eine der folgenden Telefonnummern:
Autor
louisa
Autorin und Mitgründerin von Athlet.one
Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!