Romy Kasper: “Ich will den Zeitpunkt selbst bestimmen."

Die erfahrene Rad-Sportlerin lässt sich von Stürzen oder Krisen nicht das Ende ihrer Karriere diktieren.

Die aktuelle Krise ist wohl für keinen Sportler einfach. Da zurzeit manche Sicherheitsvorkehrungen wieder gelockert werden, ist es vielen glücklicherweise wieder möglich, zu ihrem Training zurückzukehren. Im Wettkampfsport jedoch existieren weiterhin schwer zu umgehende Sicherheitsvorkehrungen. Doch das heißt nicht, dass keine Ideen dazu existieren, wie man trotz der aktuellen Situation noch sportliche Events austragen oder an ihnen teilnehmen kann. Eines dieser experimentellen Events, die digitale Zwift Rad-Bundesliga. Das über das Internet veranstaltete Radsport-Turnier, wurde bis vor wenigen Tagen in einmal pro Woche stattfindenden Rennen ausgetragen. Romy Kasper, eine der Teilnehmerinnen der Zwift-Liga, berichtet uns, wie sie mit der Corona-Krise umgeht und wie das Event sich vom alltäglichen Radsport unterschieden hat.

Die aktuelle Situation ist nicht das erste Mal, dass Romy ihren Karrierefokus umstellen muss. Radsport war für lange Zeit nicht der einzige Sport, dem die Leipzigerin sich verschrieben hatte. Auch Schwimmen und Handball standen ebenfalls hoch auf ihrer Liste. Letztendlich hat sich aber der Radsport durchgesetzt.

“Wahrscheinlich, weil es bei uns in der Region am populärsten war. Ich habe alle drei Sportarten super gerne gemacht und mir fiel es schwer mich zu entscheiden. Es war dann aber der zeitliche Aspekt, der dann irgendwann nicht mehr alles untergebracht hat. Deshalb musste dann erst der Handball und dann das Schwimmen sozusagen dem Radfahren weichen. Im Radfahren hatte ich auch die größten Erfolge zu dem Zeitpunkt, weil ich auch schon überregional Wettkämpfe gefahren bin, Schwimmen war eher regional.”

Natürlich gehört mehr als nur der Erfolg dazu. Auch die allgemeine Freude am Sport war beim Radfahren für Romy einfach am stärksten. Und so stellt die Sportart auf dem Rad für die Athletin immer noch eine große Passion dar.

“Was mich daran fasziniert ist einfach die Freiheit. Die Natur mit dem Fahrrad erfahren. Draußen bei schönstem Wetter, die schönsten Straßen und die Umgebung erkunden...”
Romy Kasper
Das Radfahren in der Natur stellt für Romy Freiheit dar. /Quelle: Romy Kasper privat

Über die folgenden Jahre hat sich die Entscheidung für den Radsport bezahlt gemacht. Bald fand Romy einen Teamplatz in Holland, wo sie an professionellen Rennen teilnehmen konnte. Das hieß für sie aber nie komplett Abschied von ihrem Zuhause.

“Ich habe in meinem ersten Jahr im holländischen Team 2013 einen Großteil des Frühjahrs in einem Internat in Holland gewohnt, einer Sportschule. Danach habe ich immer zu Hause gelebt und bin bei den Wettkämpfen und Trainingslagern zum Team gestoßen. Das hat eigentlich fast jeder so gemacht, außer Amerikanerinnen oder Kanadierinnen. Dieses Jahr habe ich mich aber entschieden beim holländischen Team das Frühjahr im Teamhaus zu verbringen. Grund waren die vielen Rennen die dort in der Umgebung im Frühjahr geplant waren. Da sind dann einfach die Reisezeiten und -wege kürzer.”

In der aktuellen Krise ist solches Gruppentraining natürlich erstmal nicht mehr möglich. Aber der Team-Radsport ist auch nicht alles, worauf Romy sich konzentriert. Tatsächlich legt sie in dieser Zeit ihren Fokus auch stark auf ihr zweites Standbein. Das Studium oder speziell ihre Masterarbeit, war besonders in dieser Zeit der intensiven Isolation eine Art Retter für sie.

“Das Wort Retter ist schon passend irgendwie. Zwar fühlt es sich momentan nicht ganz so an, weil es viel Arbeit ist. Ich verfluche sie eher und freue mich auf die Zeit danach, aber prinzipiell ist es ein Ausgleich. Der meiner Meinung nach extrem wichtig ist, nicht nur bei Verletzungen oder jetzt, sondern auch während der normalen Saison. Ich würde sonst den ganzen Tag nur an Radfahren denken. Wenn der Sport aber irgendwann zu Ende ist, fällt man in ein Loch, wenn man nie was anderes gemacht hat.
Für mich ist es schon extrem wichtig über die Karriere hinaus zudenken und zu planen, auch wenn ich noch nicht hundert Prozent weiß, wohin die Reise geht. Ich weiß, dass ich einen Abschluss habe, einen Bachelor und dann den Master. Dann muss ich nur noch die richtige Richtung oder Arbeitsstelle finden, etwas das mir Spaß macht. Wenn man das alles jetzt schon etwas während des Sports macht, Praktika, Fortbildungen oder Seminare verfolgt und auf dem neuesten Stand bleibt, dann ist der Einstieg ins Berufsleben leichter. Im Hinblick auf die Karriere kann alles schnell vorbei sein.”
Romy Kasper
Trotz Erfolgen weiß Romy wie wichtig ein zweites Standbein ist. / Foto: Romy Kasper privat

Zurzeit fühlen das viele Sportler. Für viele fehlen einfach kurzfristige Ziele auf die man hinarbeiten kann. Innovative neue Optionen für Events sind bereits in den Startlöchern und haben zum Teil schon stattgefunden. Romy hat an einer davon, der Zwift Rad-Bundesliga, bereits teilgenommen.

“Letzten Samstag war das letzte von fünf Rennen. Zwift ist eine Online-Plattform, man spannt das Fahrrad zu Hause auf einem Rollentrainer ein, verbindet das mit einem Computer oder einem Handy, sodass man auf die Online-Plattform zugreifen kann, und dann werden die Leistungswerte, die man auf der Rolle tritt, auf die Plattform übertragen. Die rechnet es mit deinem Gewicht in eine Geschwindigkeit um und dann wird das auf einen Bildschirm projiziert. Dann heißt es gegen andere Radrennen, alle allein zu Hause aber auf dem Bildschirm alle zusammen.“

Natürlich fühlt sich so etwas komplett anders an als ein übliches Radsport-Event. Auch wenn nicht alle Unterschiede negativ sind, ist der Radsport bei Zwift eine ganz eigene Sache für Romy, als der auf der echten Straße.

“Ich fand das war echt eine coole Idee vom Verband, sowas zu machen. Klar ist das anderes Rennfahren als draußen in der realen Welt. Man sieht den Gegner nur auf dem Bildschirm, real kann man ihm mal in die Augen schauen und sieht seine Körpersprache. Darauf kann man reagieren, doch das sieht man in der virtuellen Welt nicht wirklich. Eine andere Sache ist, man kann nicht wirklich im Team fahren. Klar, man kann versuchen über Skype oder Whatsapp-Anruf Kontakt aufzunehmen oder sich abzusprechen, aber das ist dann schon komplizierter, als im normalen Radrennen, wo man per Funk Kontakt zueinander hat. 
Andererseits zählen in der virtuellen Welt auch wirklich die Leistungswerte, da gibt es nicht so einen krassen Ausschlag durch Taktik. Es sind auch viel kürzere Rennen, eine Stunde, eineinhalb. In der realen Welt sind es dann halt mal drei, dreieinhalb, vier Stunden. Und natürlich fehlen auch die äußeren Einflüsse, Wind, Regen und so weiter.”
Romy Kasper - GCA Liga - by Müller - Die Lila Logistik
Romy holte sich den Gesamtsieg der Frauen in der «GCA Liga powered by Müller – Die lila Logistik»/Quelle: Screenshot Zwift

Aber auch schwere Verletzungen fallen weg, wenn man fern der Straße daheim das Rennen fährt. Romy hatte in ihrer Karriere schon mehrmals mit solchen zu kämpfen. Besonders in 2018, wo einige Unfälle sie für eine Weile aus dem Verkehr gezogen hatten. Doch durch Unfälle ließ sie sich nie langfristig vom Fahren abbringen.

“Ich bin von Natur aus super ehrgeizig, mir muss man fast schon das Fahrrad wegnehmen damit man mich dazu kriegt, nicht zu trainieren. Nach den Stürzen und damit verbunden Rippenbrüchen und Gehirnerschütterungen hat mich mein Wille immer wieder aufs Rad getrieben. Nach dem letzten schweren Sturz im Juni 2018, gab es viele Stimmen aus meinem Umfeld, die lieber gesehen hätten, dass ich aufgehört hätte, der Sicherheit und der Angst wegen. Aber für mich war das nie eine Option, nach solchen Stürzen aufzuhören und zu sagen: ‘Ich beende meine Karriere’. Wenn ich die Karriere beenden will, will ich das erstens selber bestimmen und zweitens an einem Höhepunkt machen.”

Und dasselbe gilt für Covid-19. Romy hat nicht vor, in nächster Zeit mit dem Radsport aufzuhören, selbst wenn ihr Master aktuell einen Großteil ihrer Zeit beansprucht. Den Endpunkt ihrer Karriere lässt die Athletin sich von nichts diktieren. Dass Romy sich mit Ende der Krise, sobald möglich, wieder auf ihr Fahrrad in Rennen schwingen wird, steht jetzt schon fest. Und bis dahin werden Studium und Online-Rennen sie tragen.

Foto Startseite Energiewaacht Tour Holland / Quelle: CorVos

louisa

Autor

louisa

Autorin und Mitgründerin von Athlet.one

Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!