Jenny Harss: "Mit Leistung kannst du dir den Respekt erarbeiten."

Die erfolgreiche deutsche Eishockey Torhüterin spielt schon lange als Frau in Herrenmannschaften.

Jenny Harss hat als Eishockey Torhüterin mehrmals an den Deutschen Meisterschaften und Olympia teilgenommen. Drei Jahre spielte sie in den USA und durfte dort nach der Meisterschaft sogar den Amerikanischen Präsidenten kennen lernen. In Deutschland spielt sie seit jeher als Frau bei Herrenmannschaften mit, was nicht immer leicht ist. Schon sehr früh hat Jenny den Weg aufs Eis gefunden. Schritt für Schritt ist aus der reinen Freude am Eislaufen dann eine Profi-Karriere im Eishockey entstanden. 

Im Alter von vier Jahren habe ich an der Laufschule teilgenommen, um Schlittschuhlaufen zu lernen. Nachdem mir das so viel Spaß gemacht hat, habe ich Eishockey ausprobiert und seitdem nicht mehr damit aufgehört. Ich habe als Kind viele verschiedenen Sportarten gemacht wie Tennis, Fußball und Skifahren. Aber nach und nach musste ich mich wegen der Zeitintensität für eine Sportart entscheiden. Ich hatte damals schon meine Ziele und Träume, aber hatte nicht den Gedanken Eishockey professionell auszuüben. Nach meinem Fachabitur bin ich zur Sportfördergruppe der Bundeswehr gekommen. Durch diesen Beruf war es mir bis heute möglich, Eishockey professionell ausüben zu können.

Bis heute hat sie unglaubliche Erfolge feiern können. Aber wie es so ist im Leistungssport sind, liegt Sieg und Niederlage oft sehr nahe beieinander. So musste Jenny auch schon Rückschläge hinnehmen.

Ich denke in jeder Karriere gibt es Höhen und Tiefen. Ich habe schon viele schöne Momente erleben dürfen wie z.B. zwei Olympiateilnahmen und zwei Meisterschaften. Ich habe aber auf der anderen Seite auch schon einige Rückschläge hinnehmen müssen. Schwere Verletzungen und Niederlagen. Dazu gehörten auch schon vier Knieoperationen und eine davon war ein Kreuzbandriss, was sicherlich meine schlimmste Verletzung war.

Bei vier Knieoperationen können einen Sportler schnell mal eine Karriere kosten. Und von einem auf den anderen Tag kann es mit dem Leistungssport vorbei sein. Die Torhüterin fand aber immer wieder Motivation weiterzumachen und auf das Eis zurückzukehren.

Ich wurde dreimal an meinem Meniskus operiert. Das waren nur “kleinere” Operationen, sodass es mir immer leicht fiel davon wieder zurück zu kommen. Die Kreuzband-Operation war hingegen schon eine größere Herausforderung. Aber zu dem Zeitpunkt wusste ich, dass ich meine Karriere nicht so beenden will. Das war Grund genug mich zurück zu kämpfen. 

Aber auch neben dem Zurückkämpfen nach den Verletzungen, hat Jenny schon Erfahrungen gemacht, die sie in ihrer Sportler-Karriere geprägt haben. Unter anderem hütete sie drei Jahre lang das Tor in den USA. 

Die Zeit in den USA hat mich sowohl menschlich als auch sportlich sehr geprägt. Ich habe damals ein Stipendium-Angebot bekommen, um an der University of Minnesota Duluth zu studieren und zeitgleich Eishockey in der höchsten College Liga zu spielen. Da musste ich nicht lange überlegen. Es war für mich die perfekte Kombination, Eishockey auf einem super Niveau zu spielen und nebenbei einen Abschluss (BWL mit Schwerpunkt Marketing) zu absolvieren. 
Die Kombination von College und Sport war in den USA super. Es wird sehr viel Wert auf deine sportliche Entwicklung, aber auch dein Studium gelegt. Das College Leben allgemein war eine super Erfahrung und hat sehr viel Spaß gemacht. Am Anfang ist so ein Schritt, ein komplett neues Leben anzufangen, immer schwierig, aber ich habe mich sehr schnell eingelebt, weil sowohl meine Mannschaftskolleginnen als auch mein Trainer dabei sehr kooperativ und hilfreich waren.

Eishockey gehört in den USA zu einer der beliebtesten Mannschaftssportarten. Auch in Deutschland Lebt Jenny das Leben einer Profi-Sportlerin. Die Unterschiede sind aber in Deutschland und den USA im Eishockey nicht zu übersehen. 

Fraueneishockey hat in den USA einen anderen Stellenwert als hier in Deutschland und besonders der College-Sport ist sehr beliebt. Als wir 2010 die NCAA College Meisterschaft gewonnen haben, sind wir zum Präsidenten Barack Obama ins Weiße Haus eingeladen worden, das war eine tolle Erfahrung. 
In den USA gibt es ein Gesetz “Title 9”, das besagt, dass Frauen- und Männersport gleich behandelt werden muss. Das heißt es wurde auch im Frauenbereich sehr professionell gearbeitet und wir haben dieselben Trainings- und Wettkampfstätten wie die Männer benutzt. 

Auch im Nationaltrikot hat Jenny schon einige tolle Erfahrungen machen können. Bereits zwei Mal nahm sie mit dem Deutschen Nationalteam an den Olympischen Spielen teil.

Bei den Olympischen Spielen teilzunehmen war immer ein Traum von mir und ist ein wahnsinnig schönes Gefühl. Allgemein ist es immer eine Ehre, wenn du dein Land auf der internationalen Bühne vertreten darfst. Die Olympischen Spiele sind dann aber nochmal ein Highlight. Du lernst viele Sportler von anderen Nationen und auch anderen Sportarten kennen. Es ist ein riesen Event. Der Hauptfokus liegt selbstverständlich auf den Wettkämpfen, aber es gibt noch soviel mehr „drumherum“ zu erleben, sodass es einfach einzigartig ist.
Jenny Harss - Eishockey National Team
Jenny Harss steht seit vielen Jahren für die Deutsche Nationalmannschaft auf dem Eis. / Quelle: Jenny Harss

Während viele Frauen in eher von Männern dominierten Sportarten um die Akzeptanz ihrer Damen-Ligen kämpfen, scheint es umso unrealistischer für einen Außenstehenden, dass gerade diese Grenze beim Eishockey durchbrochen wird. Jenny Harss steht seit vielen Jahren für Herrenmannschaften im Tor. 

Das Männer-Eishockey ist grundsätzlich ein bisschen schneller und körperbetonter. Dadurch, dass ich im Tor spiele macht der körperliche Unterschied allerdings nicht so viel aus. Als Torwart zählen hauptsächlich andere Faktoren wie beispielsweise Schnelligkeit, Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit.

Was in vielen anderen Sportarten noch undenkbar ist, ist im Eishockey einem der körperbetontesten Sportarten die einem einfallen mögen nicht unüblich. Einfach ist der Weg zu einer erfolgreichen Eishockeyspielerin in einer Herrenmannschaft aber nicht unbedingt. 

Im Nachwuchs ist es üblich, dass Mädchen bei den Jungs spielen. Irgendwann ist aber dann der körperliche Unterschied bei den Feldspielern zu groß, sodass es für die Frauen schwierig wird. Im Tor ist das ein bisschen anders, weil da Kraft und Körperkontakt nicht so wichtig wie Schnelligkeit, Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit sind. Ich spiele schon immer mit den Jungs (außer als ich drei Jahre College Hockey in USA bei den Frauen gespielt habe), deswegen ist das für mich nichts Neues. Man muss mit Leistung überzeugen, um sich den Respekt zu erarbeiten. Dennoch darf man sich als Frau öfter mal was anhören, weil es für viele nach wie vor noch ungewöhnlich ist.

Jenny ist heute 32 Jahre alt und ist neben der Förderung durch die Bundeswehr auch schon gut aufgestellt für ihre Zukunft, in der es irgendwann auch mal nicht mehr nur Eishockey in ihrem Leben geben wird. 

Ich habe das Glück, Teil der Sportfördergruppe der Bundeswehr sein zu dürfen. Dies ermöglicht mir meinen Sport professionell ausüben zu können. Eishockey war und ist ein großer Teil meines Lebens. Nachdem es aber auch eine Karriere nach der Karriere gibt, könnte ich mir sehr gut vorstellen, mit dem Sport in irgendeiner Weise verbunden zu bleiben. Ich habe ein abgeschlossenes Marketing-Studium und würde diesen Bereich im Eishockey sehr aufregend und interessant finden. Außerdem habe ich auch eine abgeschlossene Yogalehrer-Ausbildung und würde auch das gerne an Sportler weitergeben, weil es mir persönlich in vielen Bereichen sehr geholfen hat.

Foto Startseite: Julian Kroehl

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Autor

louisa

Autorin und Mitgründerin von Athlet.one

Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!