Bianca Walter: “Mit Angst oder Vorsicht kommt man nicht weit."

Die Short Track Athletin konnte sich für ihre harte tägliche Arbeit bereits mit Olympia belohnen.

Bei dem Begriff ‘Eislauf’ formen sich bei vielen Lesern bestimmt bereits gewisse Bilder im Kopf. Klassische oder poppige Musik, rasante Drehungen, Tänzer und Tänzerinnen die von ihren messerscharfen Kufen in die Luft gehoben werden. Doch wie so viele Disziplinen ist auch am Eislauf mehr dran, als nur diese eine Variante.

Bianca Walter ist Athletin im Short Track, einer actiongeladenen und oft gefährlichen Eisschnelllauf-Disziplin. Worum genau es sich dabei handelt, wie sie zum Sport gekommen ist und was sie in ihrer Zukunft plant, hat sie uns in einem Interview erzählt. Tatsächlich liegt ihr der Sport auf dem Eis gewissermaßen im Blut.

“Eislaufen habe ich durch meine Mama, die eine erfolgreiche Eisschnellläuferin war, schon im Alter von drei Jahren gelernt. Da meine Oma Trainerin beim Eiskunstlauf war, hatten meine Schwester und ich oft die Möglichkeit, mit aufs Eis zu gehen. Tatsächlich habe ich dann aber erstmal andere Dinge ausprobiert. Mit fünf Jahren war ich kurzzeitig beim Mädchenfußball und habe meinem Opa ein kleines bisschen nachgeeifert, der in der DDR jahrelang ein guter Fußballer war. In der Grundschule war ich dann beim Schulballett und Chor. Erst in der vierten Klasse habe ich das Ziel gehabt, auf die Sportschule zu kommen und habe mir Short Track (eine Disziplin im Eisschnellauf) als Leistungssport ausgesucht.”

Short Track, Bianca’s zentrale Disziplin, ist eher mit Langlauf als mit dem Eiskunstlauf, den viele aus dem Fernsehen kennen, zu vergleichen. In dieser olympischen Disziplin geht es um rasante Rennen um eine ovale Eisbahn.

“Es kommt nicht immer darauf an, der Schnellste zu sein. Manchmal gewinnt auch der taktisch Klügere oder der, mit dem Quäntchen Glück. Das macht unsere Sportart so reizvoll. Ich liebe dieses Spielchen um die beste Position in einem Lauf. Natürlich im Rahmen unserer Regeln und mit fairem respektvollen Umgang untereinander.”

Wie man es sich bei einer Disziplin mit Fokus auf hohe Geschwindigkeit auf dem Eis, mit scharfen Klingen an den Schuhen, denken kann, ist die Unfallrate in Short Track hoch. Doch Bianca scheint der Zukunft des Sports gegenüber optimistisch.

“In den letzten Jahren hat sich unsere Sportart immer weiter entwickelt und ist sicherer geworden. Wir tragen zum Beispiel mittlerweile einen kompletten schnittfesten Anzug unter unserem Laufanzug und haben schnittfeste Handschuhe. Mittlerweile haben wir auch weltweit ein sehr gutes Bandensystem, weiche federnde Matten, kaum noch feste Banden, die sehr viel Kraft abfangen bei einem Sturz. Natürlich haben wir, wie andere Sportarten, immer ein gewisses Risiko, vor allem wenn mehrere Sportler zusammen stürzen. Aber dessen sind wir uns bewusst und wissen oft, wie man am besten stürzt. Man lernt das schon von klein auf und sammelt Erfahrungen, aber mit Angst oder Vorsicht kommt man bei uns nicht weit.”

Im Short Track hat Bianca schon eine ausführliche Karriere hinter sich. Von Europameister-Medaillen bis hin zu Top 10-Platzierungen im Weltcup hat Bianca seit ihrem Anfang als Juniorin einen steilen Aufstieg zurückgelegt. Und nach mehreren Anläufen an die Qualifikationen und körperlichen Problemen seit dem ersten Versuch in 2010, gelang ihr vor einigen Jahren dann auch endlich das, was sich jeder Athlet erträumt: Eine Teilnahme bei den olympischen Spielen.

“2017 habe ich als eine der wenigen deutschen Läufer die Möglichkeit bekommen, ein halbes Jahr in Holland zu trainieren und zu wohnen, um dort mit einer der besten Trainerinnen der Welt die Olympiavorbereitung zu machen. Ein großes Risiko, so kurz vor den Spielen das Training, den Alltag sowie das Umfeld so radikal zu verändern. Aber die damalige Trainersituation in Deutschland hat eigentlich keine andere Wahl gelassen. Glücklicherweise hat sich für mich als eine von zwei Deutschen diese Mühe, der Aufwand und Verzicht gelohnt. Nach dem Abenteuer Holland begann das Abenteuer Olympia 2018! Ich bin immer noch dankbar für diese Zeit und die vielen unterstützenden Menschen auf dem Weg dorthin.”
Bianca Walter - Short Track
Bianca bei ihrer großen Leidenschaft dem Short Track /Foto: U. Herrmann

Natürlich bedeutet Olympia für jeden viel, doch für Bianca steckt mehr als nur die Bestätigung der Fähigkeiten oder der Erfolg dahinter. Olympia hat für sie und ihre Familie Tradition und hohe Bedeutung.

“Meine Mama war als Eisschnellläuferin bei Olympia 1984 dabei und ich hatte immer den Wunsch, diesen Traum auch zu leben. Mein Opa, der 2015 plötzlich verstorben ist, war einer meiner größten Fans und auch für ihn wollte ich es unbedingt schaffen und mir selbst beweisen, dass ich zu den Besten der Welt gehörte. Bei der Qualifikation 2017 reisten meine Familie und engsten Freunde sogar zu den Weltcups zur Unterstützung mit an und als ich zuerst die nationale Norm und später auch die endgültige Nominierung schaffte, sind wir alle ausgeflippt!
Endlich auf das olympische Eis gehen zu dürfen, hat mich mit Stolz und Dankbarkeit erfüllt. Beim ersten Training in Korea, habe ich richtig Gänsehaut und etwas Tränen in den Augen bekommen. Mein Herz schlug sofort höher. Ich trug eine Kette meiner Familie um den Hals und einen Schriftzug „Opa“ auf meinem Schlittschuh. Die Wettkämpfe waren trotz meines gerade erst ausgeheilten Muskelfaserrisses sehr gut für mich persönlich. Ich wünsche jedem Menschen eine solch unbeschreibliche Erfahrung in seinem Leben - die Erfüllung eines jahrelangen Traums!”

Nach einer sehr anstrengenden Zeit, in der sie ihren Körper nach eigener Meinung oft überstrapaziert hat, hofft Bianca trotzdem, Olympia nochmal erleben zu dürfen. Allein schon eine Teilnahme ist etwas von dem viele nur träumen können, nicht nur wegen der enormen Leistung, die so etwas erfordert, sondern auch weil viel Geld zu einer solchen Sportlerkarriere gehört. Zum Glück hatte Bianca da einen mächtigen Förderer auf ihrer Seite.

“Ich bin seit meinem Abitur 2011 in der Sportfördergruppe der Bundespolizei. Ich bin durch ehemalige Athleten in unserem Team darauf aufmerksam geworden und fand den Polizeiberuf auch ohne Sport immer interessant. Ohne ein regelmäßiges Einkommen wäre unsere Sportart auf Dauer zu kostenintensiv und mit Anfang 30 möchte man ungern anfangen, sich einen Job zu suchen oder eine Ausbildung bzw Studium anzufangen. Für mich war klar, dass ich abgesichert sein möchte und am besten natürlichen mit einem Beruf, der mir Spaß macht. Das habe ich mit der Bundespolizei geschafft und konnte seitdem unbeschwert meiner Sportleidenschaft nachgehen. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung und das tolle Team, für die Erfahrungen und Erlebnisse. Vor allem für die vielen bisherigen Jahre, in denen ich so fokussiert und „frei“ meinen Sport ausüben durfte. Das wäre ohne die Bundespolizeisportschule in Bad Endorf nie möglich gewesen. Ich kann und werde weiterhin jedem Athleten meinen Weg empfehlen.”

Bianca’s Erfahrung in der Bundespolizei ist durchweg positiv. Seit dem Ende ihrer Ausbildung in 2015 ist sie vom polizeilichen Dienst freigestellt und kann sich komplett auf den Sport konzentrieren, abgesehen von freiwilligen Praktika und einer einwöchigen Fortbildung pro Jahr. So kann sie sich ganz auf ihr Training konzentrieren.

“Ich trainiere ein bis vier Einheiten pro Tag an sechs Tagen die Woche. Eine Einheit dauert ca. ein bis zwei Stunden oder mehr. Mittags haben wir meistens eine längere Pause, in denen unsere Schüler und Studenten die Schulbank drücken müssen. Das habe ich glücklicherweise hinter mir und kann mittags auch mal kurz heim zu meinem Freund und unserem Hund. Im Winter kommt es vor, dass wir mit allem Drum und Dran insgesamt um die acht Stunden am Tag in der Eishalle verbringen. Das wäre mit einem normalen Beruf nebenbei überhaupt nicht machbar.
Es ist also nicht gelogen, wenn wir die Eishalle als unser zweites Wohnzimmer bezeichnen. Der Alltag zu Hause ist sicherlich ein anderer, wenn man täglich früh aus dem Haus geht, sich zum Mittagessen mal blicken lässt und dann erst spät abends wiederkommt. Aber ich bin es nicht anders gewohnt und trainiere ja (meistens) gern, auch wenn es oft hart ist. Ich weiß ja, wofür ich es mache. Der eine freie Tag in der Woche ist dann auf jeden Fall Familientag, entspannen und Kraft tanken für die kommende Woche.”

Natürlich weiß Bianca, dass eine Sportkarriere nicht ewig dauert. Doch in der Polizei hat sie einen Freund fürs Leben gefunden, in dem sie auch nach dem Ende ihrer Zeit als Short Track Athletin eine Karriere sieht.

“Ich habe schon und werde noch weitere verschiedene Praktika machen, um den vielfältigen Beruf näher kennenzulernen. Letztes Jahr durfte ich schon in die Öffentlichkeitsarbeit in der Direktion in Pirna reinschnuppern, was mir sehr gefallen hat. Als Nächstes würde mich auch die Arbeit der Kriminalitätsbekämpfung interessieren. Ich denke, ich werde am Ende meiner Sportkarriere meine Ziele innerhalb der Polizei kennen.”

Im Sport ist eine Absicherung immer wichtig, da so eine Karriere, besonders in einer gefährlichen Sportart wie Short Track, oft ein plötzliches Ende finden kann. Doch mit moderner Sicherheitsausrüstung und einer Absicherung in der Bundespolizei, die ihr sowohl den Sport finanziert, als auch eine Karriere für danach bietet, hat Bianca Walter sich einen stabilen Karrierepfad gesichert. Im Alltag wie im Sport tut Bianca was sie kann, um ihr Ziel möglichst sicher zu erreichen.

Foto Startseite: U. Herrmann

louisa

Autor

louisa

Autorin und Mitgründerin von Athlet.one

Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!